Technical Debt: Was es ist, warum es entsteht und was es Unternehmen kosten kann

Technical Debt (auf Deutsch oft technische Schulden genannt) ist in der Softwareentwicklung längst kein unbekanntes Phänomen mehr. Es bezeichnet die impliziten “Schulden”, die ein Unternehmen eingeht, wenn es im Entwicklungsprozess kurzfristige Abkürzungen nimmt – etwa um schneller auszuliefern – und dadurch bewusst oder unbewusst Qualitätseinbußen in Kauf nimmt. Genau wie finanzielle Schulden verzinst werden, zieht Technical Debt langfristig Mehrkosten und Risiken nach sich: Die Anpassung oder Erweiterung des Software-Systems wird schwieriger und teurer, ähnlich wie Zinsen und Tilgung bei einem Kredit [productplan.com].

Unternehmen jeder Größe stehen vor der Herausforderung, Technical Debt zu erkennen und zu managen. Laut einer aktuellen globalen Umfrage geben 99 % der IT-Führungskräfte an, dass Technical Debt ein Risiko für ihr Unternehmen darstellt [frontier-enterprise.com]. Fast die Hälfte (46 %) der befragten Entscheider:innen sieht darin sogar einen “stillen Saboteur”, der Innovation und Wachstum hemmt [frontier-enterprise.com]. Technische Schulden sind also keineswegs nur ein technisches Detailproblem, sondern ein strategisches Thema für IT-Strategie und Unternehmensführung. In diesem Blogartikel erklären wir praxisorientiert, was Technical Debt genau bedeutet, wie diese Schulden typischerweise entstehen, welche Kosten und Risiken damit verbunden sind und wie Unternehmen damit umgehen können. Außerdem geben wir konkrete Handlungsempfehlungen – bis hin zu einer Checkliste, mit der Sie Technical Debt in Ihrem Unternehmen proaktiv adressieren können.

Was bedeutet “Technical Debt” und woher kommt der Begriff?

Der Begriff Technical Debt wurde Anfang der 1990er Jahre geprägt, um Nicht-Technikern anschaulich zu erklären, warum schnelles Programmieren ohne saubere Architektur später teuer “zurückgezahlt” werden muss. Ward Cunningham, der Erfinder dieser Metapher, beschreibt es so: Wenn Entwickler aus Zeitdruck eine einfachere, aber suboptimale Lösung wählen, um schnell ein Feature bereitzustellen, entsteht eine Art Schuld. Solange diese Schuld nicht “beglichen” wird – etwa durch späteres Refactoring – bezahlt man auf diese Schuld Zinsen in Form von zunehmendem Mehraufwand bei jeder Erweiterung [productplan.com]. Das bedeutet: Änderungen, die in einem gut strukturierten System vielleicht nur wenige Tage dauern würden, können in einem “verschuldeten” Code mehrere zusätzliche Tage erfordern – diese Differenz ist der Zins der technischen Schuld.

Wichtig ist zu verstehen, dass technische Schulden nicht nur “schlechter Code” oder Programmierfehler sind. Vielmehr umfasst Technical Debt alle Altlasten in Code, Architektur oder Infrastruktur, die durch kurzfristige Entscheidungen oder veraltete Technologien entstanden sind. Dazu zählen Legacy Code (älterer Code, der über Jahre gewachsen ist), veraltete Frameworks oder Libraries, unzureichende Tests oder Dokumentation, aber auch halbherzige Workarounds und “Quick-and-Dirty”-Lösungen, die nie bereinigt wurden. Diese Altlasten reduzieren die innere Qualität des Systems und erschweren es, neue Funktionen schnell und sauber zu implementieren. Kurz gesagt: Technical Debt beschreibt die künftigen zusätzlichen Aufwände, die entstehen, weil man heute in der Softwareentwicklung nicht die optimale, sondern nur eine schnelle Lösung implementiert hat [productplan.comproductplan.com].

Die Metapher der Schulden verdeutlicht auch, dass technische Schulden nicht per se schlecht sein müssen – solange man sich ihrer bewusst ist und einen Plan hat, sie zurückzuzahlen. Genau wie ein Unternehmen einen Kredit strategisch aufnehmen kann, um schneller zu wachsen, kann man auch technische Schulden bewusst eingehen, um beispielsweise ein Produkt schneller auf den Markt zu bringen. Entscheidend ist jedoch, dass solche Schulden kontrolliert und geplant sind. Ist die “Rückzahlung” (z.B. spätere Refaktorisierung) nicht fest eingeplant, droht die Schuld zu wachsen und die “Zinslast” untragbar zu machen. Ein berühmtes Beispiel für jahrelang aufgeschobene technische Schuld ist das Year-2000-Problem (Y2K): Jahrzehntelang wurde aus Bequemlichkeit Jahreszahlen nur zweistellig gespeichert – eine schnelle Lösung der 60er Jahre, die aber Ende der 90er mit immensem Aufwand “abbezahlt” werden musste [patimes.orgpatimes.org]. Dieses Beispiel zeigt, dass technische Schulden, die man nicht rechtzeitig adressiert, später als geballtes Risiko zurückkommen können.

Typische Ursachen: Warum entsteht Technical Debt?

Technical Debt entsteht nicht zufällig – es gibt ganz konkrete Ursachen und Umstände, die zur Anhäufung technischer Schulden führen. Einige der häufigsten Auslöser in der Praxis sind:

Zeitdruck und kurzfristige Deadlines

Einer der größten Treiber für technische Schulden ist Zeitdruck. In vielen Projekten herrscht das Motto “Ship it now, fix it later” – Hauptsache, ein Feature wird schnell ausgeliefert oder ein Release-Termin gehalten. Unter engen Deadlines verzichten Entwickler und Architekten dann oft auf saubere Lösungen und bauen provisorische Workarounds ein. Dieses bewusste Eingehen von Schulden ist verständlich, wenn etwa ein Startup unter hohem Konkurrenzdruck steht oder ein Kunde eine dringende Funktion benötigt. Allerdings häufen sich solche “temporären” Lösungen häufig an und werden später nicht bereinigt. Der anfängliche Gewinn an Zeit kehrt sich dann ins Gegenteil um: Zukünftige Änderungen dauern länger und Projekte verlangsamen sich insgesamt, weil man immer erst die Altlasten umschiffen muss. Kurzfristiger Zeitgewinn wird so langfristig mit Produktivitätsverlust “verzinst”.

Fehlende Dokumentation und Tests

Fehlende oder unzureichende Dokumentation ist eine weitere klassische Quelle technischer Schulden. Wenn Code nicht ordentlich dokumentiert ist, verstehen ihn neue Teammitglieder oder sogar die ursprünglichen Entwickler nach einiger Zeit nicht mehr vollständig. Ähnlich verhält es sich mit fehlenden automatisierten Tests: Ohne Tests traut sich das Team später kaum, Code zu ändern, aus Angst etwas zu brechen. In beiden Fällen wird dringend benötigte Weiterentwicklung hinausgezögert oder es passieren Fehler, die wiederum umständlich behoben werden müssen. Jede Stunde, die Entwickler damit verbringen, alte, schlecht dokumentierte Module zu entziffern oder Bugs zu suchen, ist versteckte Kosten der technischen Schuld. Diese Art von Technical Debt entsteht oft schleichend – zum Beispiel wenn in hektischen Phasen Dokumentation “für später” versprochen, aber nie nachgezogen wird, oder wenn Testautomatisierung aus Budgetgründen aufgeschoben wird. Das Ergebnis sind Systeme, deren Verhalten und Struktur nicht vollständig verstanden wird – ein riskantes Erbe für jede weitere Entwicklung.

Schlechte Architektur-Entscheidungen

Auch technische Fehlentscheidungen oder eine mangelnde Software-Architektur können technische Schulden verursachen. Ein Beispiel: Man entscheidet sich aus Unkenntnis oder Bequemlichkeit für eine Technologie, die schnell umzusetzen ist, aber nicht gut skaliert – diese Entscheidung rächt sich später, wenn das System unter Last instabil wird und teuer umgebaut werden muss. Ähnlich verhält es sich mit ungenügender Modularisierung: Wenn eine Software ohne klare Architekturprinzipien wächst, entstehen eng gekoppelte Komponenten und “Spaghetti-Code”. Solche Systeme lassen sich später nur mit enormem Aufwand refaktorieren. Die Architekturschulden können auch aus bewussten Kompromissen entstehen – etwa wenn man aus Zeitgründen auf eine Zwischenschicht verzichtet oder “vorläufig” Hardcodings einbaut. Bleiben diese Provisorien dauerhaft im System, gelten sie als Design-Schulden und erschweren jede Weiterentwicklung. Ein warnendes Beispiel in großem Maßstab war Netscape in den 90ern: Durch jahrelange schnelle Features ohne Architekturhygiene war der Browser-Code so unwartbar geworden, dass eine komplette Neuentwicklung (mit hohen Kosten und dem Verlust von Marktanteilen) folgte – ein klassischer Fall von angehäufter Architekturschuld.

Legacy Code und historisch gewachsene Systeme

Viele etablierte Unternehmen kämpfen mit Legacy Code – alten, historisch gewachsenen Anwendungen, die über Jahre mit neuen Features verbessert (oder eher “zugespachtelt”) wurden. Solche Altsysteme laufen oft auf veralteten Plattformen oder Programmiersprachen, die kaum noch Experten im Unternehmen beherrschen. Änderungen an diesen Systemen sind riskant und zeitaufwendig, sodass notwendige Modernisierungen immer wieder verschoben werden. Die Legacy-Systeme werden damit selbst zu technischen Schulden: Man bezahlt ständig für ihren Unterhalt (z.B. teure Wartungsverträge, Spezialisten für alte Technologien) und trägt das Risiko, dass eines Tages ein kritischer Ausfall passiert oder ein benötigtes Feature gar nicht mehr implementierbar ist. Besonders im Finanz- und Bankensektor ist dies sichtbar: Jahrzehnte alte Kernbankensysteme verursachen hohe Betriebs- und Wartungskosten und senken die Agilität – was Innovation bremst und sogar regulatorische Risiken erhöht. Auch wenn an solchen Systemen nicht aktiv “schlechter Code” geschrieben wurde, stellen sie durch ihr Alter und ihre Überkomplexität eine erhebliche technische Schuld dar.

Wissenslücken, Personalmangel und fehlende Standards

Nicht zuletzt entstehen technische Schulden durch mangelnde Erfahrung oder fehlende Standards im Entwicklungsteam. Beispielsweise können unerfahrene Entwickler suboptimale Patterns nutzen oder wichtige Refactorings übersehen, einfach weil das Know-how fehlt. Wenn im Unternehmen keine Coding Guidelines oder Code-Reviews etabliert sind, schleicht sich über die Zeit eine Vielzahl kleiner “Unsauberkeiten” ein, die kumuliert eine große Schuldenlast ergeben. Auch hohe Fluktuation im Team kann dazu führen, dass Wissen verloren geht und neue Entwickler lieber etwas Neues “dranbauen”, anstatt das bestehende zu verstehen und zu verbessern. Ebenso trägt Ressourcenmangel dazu bei: Wenn Entwickler unter Dauerlast stehen und keine Zeit für Refactoring oder Aufräumen bleibt, wächst die Schuldenlast automatisch. Oft steckt man in einem Teufelskreis: Man hätte eigentlich Entwicklerkapazität nötig, um Schulden abzubauen, aber gerade diese Kapazität fehlt, weil so viele Incidents und Bugfixes (Symptome der technischen Schulden) abzuarbeiten sind. Ohne klare Standards und ausreichende Ressourcen bleibt Technical Debt so ungesteuert und wächst immer weiter.

Kosten und Risiken: Was technische Schulden Unternehmen kosten

Technische Schulden sind nicht nur ein Schönheitsfehler im Code – sie haben handfeste Auswirkungen auf Kosten, Risiken und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Im Folgenden betrachten wir die wichtigsten Konsequenzen im Detail.

Erhöhte Wartungs- und Entwicklungskosten

Je mehr Technical Debt ein System angehäuft hat, desto teurer wird dessen Pflege und Weiterentwicklung. Entwickler brauchen länger, um Änderungen vorzunehmen, weil sie sich durch komplexen, unübersichtlichen Code kämpfen müssen. Fehler treten häufiger auf und ihre Behebung verschlingt Zeit. Studien zeigen, dass dadurch ein erheblicher Teil der Ressourcen in Wartung statt in Innovation fließt: Durchschnittlich 30 % der IT-Budgets werden weltweit für die Verwaltung und Behebung technischer Schulden aufgewendet [protiviti.com]. Ebenso fließen im Schnitt 20 % der IT-Ressourcen (Zeit der Entwickler, Testaufwand etc.) in das Management von Altlasten [protiviti.com]. Diese gebundenen Kapazitäten fehlen natürlich für neue Projekte. Ein anschauliches Beispiel: Martin Fowler beschreibt, wie ein neues Feature in einem sauberen System vielleicht vier Tage Entwicklungszeit bräuchte, in einem “verschuldeten” System jedoch sechs Tage – die zwei Extratage sind der Preis, den man zahlt. Hochgerechnet auf dutzende Features und Teams erklärt das, warum “verschuldete” IT-Landschaften hohe laufende Kosten verursachen. Unternehmen, die Technical Debt ignorieren, zahlen letztlich drauf – entweder direkt in Form von höheren Aufwänden oder indirekt, weil Projekte langsamer vorankommen und Chancen verpasst werden.

Doch nicht nur interner Aufwand steigt – auch externe Kosten können entstehen. Zum Beispiel kann das Fortführen eines alten Systems Lizenz- oder Supportkosten verursachen, weil man Spezialsoftware oder alte Hardware weiter betreiben muss. Zudem kann Technical Debt dazu führen, dass man plötzlich sehr viel investieren muss, um ein systemkritisches Problem zu lösen (ähnlich einer Ballonzahlung bei Schulden). So ein Fall tritt ein, wenn die Altlast so groß wird, dass eine Neuentwicklung oder Großrenovierung unumgänglich ist. Diese “Big Bang”-Modernisierungen können enorme Budgets verschlingen und die IT-Abteilung lange lahmlegen. Daher ist es kostengünstiger, technische Schulden frühzeitig schrittweise abzubauen, statt sie bis zum Kollaps anwachsen zu lassen.

Sicherheitslücken und erhöhte Risiken

Technical Debt kann die IT-Sicherheit gefährden. Wenn veralteter Code und überholte Technologien im Einsatz sind, steigt die Wahrscheinlichkeit von Schwachstellen. Beispielsweise werden Sicherheitsupdates für alte Frameworks oder Libraries oft nicht mehr eingespielt, weil das System zu fragil ist – ein gefundenes Fressen für Angreifer. Auch unsauberer Code birgt Risiken: Provisorische Lösungen oder komplexe Umgehungen können unbeabsichtigte Einfallstore schaffen oder Fehler verursachen, die in sicherheitskritischen Bereichen verheerend sein können. Ein drastisches Beispiel war die Sicherheitslücke bei Equifax 2017: Ein vergessenes Update in einer alten Komponente führte zu einem Datenleck mit Millionen gestohlener Datensätze – letztlich eine Folge von technischen Altlasten und mangelhafter Wartung. Studien betonen, dass Technical Debt das Sicherheitsrisiko erhöht und sogar die Stabilität von Unternehmen bedrohen kann [frontier-enterprise.com]. Denn neben Cyberangriffen drohen auch Systemausfälle: Ein hoch verschuldetes System kann so komplex und fragil werden, dass schon kleine Änderungen einen Ausfall provozieren. Die Betriebsrisiken steigen, und im schlimmsten Fall kann es zu teuren Downtime-Vorfällen kommen, die Reputation und Umsatz des Unternehmens beeinträchtigen.

Darüber hinaus spielt Technical Debt auch in Compliance- und Regulierungsrisiken eine Rolle. Branchen wie der Finanzsektor oder Gesundheitssektor unterliegen strengen IT-Regularien. Alte Systeme oder unsauber implementierte Workarounds können dazu führen, dass man regulatorische Anforderungen (z.B. im Datenschutz oder Reporting) nur mit Mühe erfüllt – oder im Ernstfall Audits nicht besteht. Insgesamt gilt: Je höher der Schuldenberg, desto unübersichtlicher die IT-Landschaft und desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo ungeplante Risiken schlummern. Unternehmen bezahlen diese im Zweifel mit empfindlichen Strafen, Schadensersatz oder Folgekosten von Sicherheitsvorfällen.

Verlangsamte Innovation und geringere Produktivität

Eine der gravierendsten Folgen technischer Schulden ist die Blockade von Innovation. Wenn Entwickler den Großteil ihrer Zeit damit verbringen, alten Code zu reparieren oder Workarounds für bestehende Probleme zu finden, bleibt wenig Raum für Neues. Tatsächlich berichten Unternehmen weltweit, dass Technical Debt massiv auf die Innovationsfähigkeit drückt: Knapp 70 % der Organisationen bewerten laut einer Protiviti-Studie die Auswirkung technischer Schulden auf ihre Fähigkeit zu innovieren als hoch [protiviti.com]. Fast jede zweite Führungskraft gibt an, technische Schulden hätten ihre Transformationsprojekte spürbar ausgebremst [frontier-enterprise.com]. Das zeigt sich z.B. darin, dass neue Produktideen aufgrund von Altlasten immer wieder verschoben werden müssen, oder dass digitale Transformationen scheitern, weil Altsysteme die Integration neuer Lösungen behindern. Technical Debt wirkt wie Sand im Getriebe der Digitalisierung.

Die Produktivität der Entwickler-Teams leidet direkt unter diesen Umständen. Verschuldete Codebasen bedeuten mehr Bugs, längere Debugging-Sessions und mehr Koordinationsaufwand, weil einfache Änderungen unvorhergesehene Seiteneffekte haben können. Verschiedene Studien beziffern, dass Entwickler zwischen 20 % und 40 % ihrer Arbeitszeit mit der Bewältigung von technischem “Ballast” verbringen, statt an neuen Features zu arbeiten [shiftmag.dev]. Das sind enorme Produktivitätsverluste, die sich in höheren Personalkosten oder langsameren Lieferzeiten äußern. Letztlich spürt auch der Kunde diese Verzögerungen: neue Funktionen kommen spät, Wettbewerber sind schneller am Markt, und die eigene Wettbewerbsfähigkeit leidet. Technical Debt ist somit nicht nur ein IT-internes Problem, sondern bremst das gesamte Unternehmen in seiner Fähigkeit, sich anzupassen und zu wachsen.

Unzufriedene Teams und höhere Mitarbeiterfluktuation

Arbeiten in einem stark “verschuldeten” System kann für Entwickler frustrierend sein. Ständig den Altcode flicken, im “Spaghetti-Code” nach Ursachen suchen und gegen die Tücken veralteter Tools ankämpfen – das zermürbt auf Dauer die Motivation. Es überrascht daher nicht, dass in Entwicklerumfragen Technical Debt als größter Frustfaktor am Arbeitsplatz genannt wird (von über 60 % der Befragten) [survey.stackoverflow.co]. Talente in der IT möchten moderne Technologien einsetzen und sauberen Code schreiben. Wenn die Unternehmenskultur oder Projektsituation sie jedoch dauerhaft zwingt, in einem wachsenden Schuldenberg zu arbeiten, steigt die Gefahr, dass gute Leute kündigen, um anderswo an spannenderen Projekten zu arbeiten. Technical Debt kann somit indirekt zu Mitarbeiterfluktuation führen – ein Risiko, das oft übersehen wird.

Für das Unternehmen bedeutet hohe Fluktuation wiederum Wissenverlust und höhere Kosten (Recruiting, Einarbeitung neuer Kollegen). Ironischerweise verstärkt dies wiederum die Neigung zu technischen Schulden: Wenn erfahrene Entwickler gehen, sinkt die Code-Qualität oft weiter oder es wird “quick and dirty” nachgebessert, weil das tiefe Verständnis fehlt. Eine DXC-Studie warnte, dass das Ignorieren von Technical Debt letztlich zu Verlust von Talent und Produktivität führen kann [frontier-enterprise.com]. Führungskräfte sollten also Technical Debt nicht nur als technischen Aspekt sehen, sondern auch als Faktor für Mitarbeiterzufriedenheit. Ein gepflegter Code und Zeit für Qualitätsarbeit sind auch Investitionen in die Bindung von Fachkräften.

Technical Debt messen, managen und abbauen

Angesichts der genannten Kosten und Risiken stellt sich die Frage: Wie bekommt man technische Schulden in den Griff? Die gute Nachricht ist, dass es heutzutage Ansätze und Tools gibt, um Technical Debt sichtbar zu machen und systematisch zu reduzieren. Im Folgenden beleuchten wir, wie Unternehmen ihre technischen Schulden messen können und welche Strategien es im Umgang damit gibt.

Technische Schulden sichtbar machen (Metriken und Analyse)

Der erste Schritt ist, Transparenz über bestehende technische Schulden zu schaffen. Oft werden Ausmaß und Folgen von Technical Debt unterschätzt oder gar bewusst ignoriert. Unternehmen sollten jedoch lernen, technische Schulden frühzeitig zu erkennen und zu quantifizieren. In der Praxis kommen dafür verschiedene Methoden zum Einsatz:

  • Code-Analyse-Tools: Es gibt Werkzeuge (wie z.B. SonarQube, CAST oder andere Code-Qualitätsplattformen), die den Quellcode statisch analysieren und sogenannte Code Smells, Zyklomatiken oder Dupplikate erkennen. Viele dieser Tools berechnen auch einen “Technical Debt Index” – häufig in Form von Personentagen, die benötigt würden, um alle gefundenen Qualitätsmängel zu beheben. So erhält man eine greifbare Zahl, die den Schuldenstand im Code repräsentiert.

  • Metriken wie der Technical Debt Ratio: Einige Organisationen nutzen Kennzahlen wie den Technical Debt Ratio, der das Verhältnis von Aufwand zur Behebung der Schulden zur Entwicklungszeit eines Features angibt. Vereinfacht: Wenn z.B. 20 % der Zeit für “Aufräumarbeiten” draufgehen, hätte man einen Technical-Debt-Index von 0,2. Solche Metriken können helfen, über verschiedene Teams oder Anwendungen hinweg den Schuldengrad zu vergleichen.

  • Qualitative Bewertungen und Architektur-Reviews: Nicht alles lässt sich in Code-Metriken fassen. Deshalb sind Architektur- und Code-Reviews durch erfahrene Experten wichtig. Dabei wird z.B. geprüft: Welche Module sind besonders komplex oder kritisch? Wo bestehen Abhängigkeiten von veralteten Technologien? Solche Reviews münden idealerweise in einer Technical-Debt-Liste, die bekannte Baustellen aufzeigt – sei es ein veraltetes Modul, eine fehlende Testabdeckung oder eine riskante Schnittstelle. Wichtig ist, diese Liste laufend zu aktualisieren.

Sobald technische Schulden sichtbar gemacht wurden, können Unternehmen Prioritäten setzen. Nicht jede Schuld ist gleichermaßen kritisch. Es gilt zu fragen: Wo ist die “Zinslast” am höchsten? Welche Altlast bremst uns aktuell am meisten aus oder stellt ein akutes Risiko dar? Genau dort sollte man als erstes ansetzen.

Priorisierung und strategisches Management von Technical Debt

Technical Debt abzubauen erfordert einen planvollen Ansatz – ähnlich wie die Tilgungsplanung bei finanziellen Schulden. Unternehmen sollten Technical Debt zu einem Bestandteil ihrer IT-Strategie machen, anstatt es als reines Entwicklerproblem abzutun. Ein alarmierender Befund der DXC-Studie war, dass zwar fast alle Führungskräfte die Gefahr erkennen, aber drei von vier meinen, nur die IT-Abteilung sei für die Behebung verantwortlich [frontier-enterprise.com]. Erfolgreiches Management technischer Schulden braucht jedoch Rückendeckung aus dem Business: das Bewusstsein, dass Refactoring und Modernisierung Investitionen in die Zukunftsfähigkeit sind und entsprechend Ressourcen erhalten müssen.

In der Praxis haben sich einige Best Practices etabliert, um Technical Debt zu managen:

  • Technical Debt in der Roadmap verankern: Planen Sie in Produkt-Roadmaps und Projektplänen bewusst Zeit für Refactoring und Schuldenabbau ein. Zum Beispiel verfolgen manche Unternehmen die Regel, dass pro Entwicklungs-Sprint ein gewisser Prozentsatz der Zeit (z.B. 10–20 %) für die Verbesserung der Codebasis reserviert ist. So wird sichergestellt, dass nicht immer nur neue Features entwickelt, sondern auch Altlasten entsorgt werden.

  • Priorisierung mittels Business Impact: Nicht jede Schuld muss sofort beglichen werden. Priorisieren Sie den Abbau nach Geschäftsrisiko und -nutzen. Schulden, die sicherheitskritisch sind oder Kernprozesse verlangsamen, kommen nach oben. Weniger kritische (z.B. etwas Unordnung in einem selten angefassten Modul) können auch mal warten. Dieses Abwägen verhindert, dass man unnötig Ressourcen auf unwichtige “Schulden” lenkt.

  • Verantwortlichkeiten klären: Legen Sie fest, wer die Beseitigung welcher technischer Schulden vorantreibt. Das kann bedeuten, dedizierte Refactoring-Teams oder Task Forces für Legacy-Modernisierung einzusetzen. Manche Organisationen ernennen auch einen “Schulden-Beauftragten” (Technical Debt Manager), der bereichsübergreifend den Überblick behält und auf die Einhaltung von Qualitätsmaßnahmen achtet.

  • Regelmäßiges Reporting: Berichten Sie über den Stand technischer Schulden an das Management – z.B. als Teil der Quartals-IT-Berichte. Metriken wie “Technische Schulden (Personentage)” oder “Anteil Legacy vs. modernisierte Module” können zeigen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Sichtbarkeit im Management schafft Druck und Unterstützung, um das Thema ernst zu nehmen.

Das Ziel des strategischen Managements ist, technische Schulden unter Kontrolle zu halten, damit sie nicht weiter anwachsen, und idealerweise schrittweise abzubauen. Interessant ist: Unternehmen, die Technical Debt proaktiv managen, sind laut Gartner profitabler und besser am Markt positioniert. Es lohnt sich also, hier strategisch vorzugehen.

Refactoring und Modernisierung: Schulden konsequent abbauen

Nachdem Schulden identifiziert und priorisiert sind, kommt der eigentliche Abbau – vergleichbar mit der Tilgung eines Kredits. Hier stehen Unternehmen verschiedene Ansätze zur Verfügung:

  • Kontinuierliches Refactoring: Die beste Methode ist oft, kontinuierlich kleine Refactorings durchzuführen, anstatt alles auf einen Schlag umzubauen. Entwickler verbessern Stück für Stück den Code, wann immer sie an einer Komponente arbeiten (Boy-Scout-Regel: verlasse den Code sauberer, als du ihn vorgefunden hast). Diese laufenden Verbesserungen reduzieren die “Zinsen” nach und nach. Martin Fowler empfiehlt, den “Schuldenabbau” in den Alltag zu integrieren, um die Bereiche mit hohem Änderungsbedarf zuerst zu optimieren. So konzentriert man sich auf die Stellen, die am meisten wehtun.

  • Gezielte Modernisierungsprojekte: In manchen Fällen reicht kontinuierliches Refactoring nicht aus – zum Beispiel, wenn eine Kernkomponente auf einer überholten Technologie basiert (etwa eine Anwendung läuft noch auf einem Mainframe oder einer alten Java-Version). Dann braucht es ein gezieltes Modernisierungsprojekt. Das kann z.B. eine Migration auf eine neue Plattform sein oder die schrittweise Ablösung eines Monolithen durch Microservices. Wichtig dabei: ein solches Projekt sollte gut geplant sein und inkrementell erfolgen, wo möglich. Ein komplettes System neu zu schreiben (Big Bang) ist riskant und selbst eine Form von “Investition”, die sich erst später auszahlt. Besser ist es oft, Modul für Modul zu erneuern (Stichwort “Strangler Fig Pattern”), sodass man jederzeit einen funktionierenden Zustand behält.

  • Abschalten redundanter Altlasten: Ein oft übersehener Weg, Schulden loszuwerden, ist das Eliminieren unnötiger Systeme. In vielen IT-Landschaften existieren alte Anwendungen, die kaum noch genutzt werden oder deren Funktionen längst von neueren Systemen übernommen wurden. Sie weiterzubetreiben verursacht Kosten und technische Schulden (z.B. weil sie trotzdem Daten synchronisieren müssen oder Sicherheitsrisiken darstellen). Eine Untersuchung von DXC ergab, dass Unternehmen im Schnitt 37 % ihrer Alt-Anwendungen stilllegen könnten, wenn sie konsequent modernisieren – mit erheblichen Kosteneinsparungen [frontier-enterprise.com]. Regelmäßig zu prüfen “Welche Altlast können wir abschalten?” gehört daher zum Schuldenabbau dazu.

Beim Abbau technischer Schulden ist Geduld gefragt. Ähnlich wie ein Finanzschuldner kann man nicht alles über Nacht tilgen, sondern muss Schritt für Schritt vorgehen. Entscheidend ist, dass die Richtung stimmt: Wenn über Monate und Jahre hinweg die Codequalität messbar steigt, Legacy-Anteile sinken und die Entwicklung wieder schneller vorankommt, ist man auf dem richtigen Weg. Auch kleine Gewinne, wie etwa dass ein Build-Prozess um 10 % beschleunigt wurde oder die Zahl der kritischen Bugs zurückgeht, sind Erfolge beim Schuldenabbau, die gefeiert werden sollten.

Geplante vs. ungeplante technische Schuld: bewusste Entscheidungen treffen

Abschließend lohnt ein Blick auf die Unterscheidung zwischen geplanter und ungeplanter Technical Debt. Nicht jede technische Schuld entsteht aus Versehen oder Nachlässigkeit. Es gibt Situationen, in denen ein Unternehmen bewusst entscheidet: Wir akzeptieren jetzt eine gewisse technische Schuld, um ein wichtiges Geschäftsziel schneller zu erreichen. Diese strategische Technical Debt kann ein sinnvolles Mittel sein – etwa wenn ein früher Markteintritt kritischer ist als perfekter Code, oder wenn man mit einem Proof-of-Concept erst Kundenfeedback einholen will. Wichtig ist hierbei, dass diese Entscheidung transparent und mit Plan getroffen wird. Das Team und das Management sollten wissen: “Wir nehmen diese Abkürzung in Kauf, aber wir reservieren gleich im Anschluss Zeit, um die Schuld zu begleichen.” Beispielsweise könnte man vereinbaren, dass nach dem erfolgreichen Produktlaunch ein Refactoring-Sprint folgt, um die bewusst eingegangenen Schulden abzutragen.

Demgegenüber steht ungeplante bzw. “schleichende” technische Schuld – jene, die sich aufgrund fehlender Disziplin oder fehlendem Überblick ansammelt. Oft wird in solchen Fällen gar nicht wahrgenommen, wie hoch der Schuldenberg schon ist, bis er Probleme verursacht. Diese Art von Schulden ist gefährlich, weil sie unkontrolliert wächst und keinerlei “Rückzahlungsplan” existiert. Unternehmen sollten daher eine Kultur etablieren, in der Qualitätsschulden sichtbar gemacht und offen diskutiert werden, statt sie unter den Teppich zu kehren.

Ein hilfreiches Konzept ist hier der Technical Debt Quadrant nach Martin Fowler, der Schulden anhand von zwei Achsen klassifiziert: Bewusst vs. unbewusst und umsichtig vs. rücksichtslos. Idealerweise bewegt man sich – wenn schon Schulden, dann – im Quadranten “bewusst & umsichtig” (also strategisch und mit Rückstellplan). “Unbewusst & rücksichtslos” sollte hingegen dringend vermieden werden. Diese Unterscheidung im Hinterkopf zu behalten, hilft Entscheidern dabei, informierte Kompromisse einzugehen. Manchmal ist Technical Debt also ein akzeptabler Preis, um schnell ans Ziel zu kommen – aber nur, wenn man die Rückzahlung fest einplant und die Schuld nicht zur Dauerlast wird.

Checkliste: Wie Unternehmen mit Technical Debt umgehen sollten

Zum Abschluss fassen wir konkrete Handlungsempfehlungen zusammen. Diese Checkliste hilft Entscheidern und IT-Leiter:innen, Technical Debt im eigenen Haus zu adressieren:

  • Bewusstsein schaffen: Kommunizieren Sie unternehmensweit, was Technical Debt ist und welche Folgen sie haben kann. Nur wenn alle – vom Entwickler bis zur Geschäftsführung – das Problem erkennen, gibt es Rückhalt für Gegenmaßnahmen.

  • Code-Qualität zur Priorität machen: Etablieren Sie Coding-Standards, automatisierte Code-Reviews und Continuous Integration/Delivery. Qualitätssicherung im Entwicklungsprozess senkt die Entstehung neuer Schulden.

  • Regelmäßige Code-Reviews durchführen: Führen Sie Peer Reviews ein, in denen Kollegen den Code gegenchecken. Das erhöht die Code-Qualität, findet Schlampereien frühzeitig und fördert den Wissenstransfer im Team.

  • Architektur-Governance etablieren: Richten Sie ein Gremium oder zumindest klare Richtlinien für Software-Architekturentscheidungen ein. Wichtige Entscheidungen (z.B. Wahl einer Technologie, Design von Schnittstellen) sollten geprüft werden, um spätere Fehlentwicklungen zu vermeiden.

  • Dokumentation und Wissensmanagement pflegen: Sorgen Sie dafür, dass Kernstücke der Software gut dokumentiert sind – sei es in Form von Architektur-Diagrammen, Code-Kommentaren oder Wiki-Einträgen. Halten Sie Wissensdatenbanken aktuell, um “Bus-Faktor”-Risiken zu reduzieren.

  • Technical Debt erfassen und verfolgen: Führen Sie eine Liste der technischen Schulden – z.B. als Teil Ihres Issue-Trackings. Jede bekannte Altlast (veraltetes Modul, fehlender Test, Hack) sollte erfasst werden. Priorisieren Sie diese Liste regelmäßig neu, je nach Geschäftsrelevanz.

  • Refactoring fest einplanen: Reservieren Sie bewusst Zeit für Refactoring und Modernisierung. Zum Beispiel kann man jedem Sprint oder Quartal einige Tage für Tech-Debt-Tickets widmen. Alternativ können spezielle “Cleanup-Sprints” oder Hackathons zum Aufräumen organisiert werden.

  • Investitionen in Modernisierung tätigen: Seien Sie bereit, Budget für größere Modernisierungsprojekte bereitzustellen, wenn nötig. Langfristig sparen Sie damit Geld – Studien zeigen, dass Unternehmen durch Technical-Debt-Reduktion im Schnitt fast 40 % Kosten einsparen können [frontier-enterprise.com], unter anderem weil redundante Altanwendungen stillgelegt werden.

  • Schulden bewusst managen: Wenn Sie Technical Debt absichtlich eingehen (müssen), dokumentieren Sie diesen Entscheidungsgrund und setzen Sie direkt einen “Tilgungsplan” auf. Zum Beispiel: “Wir verwenden diesen schnellen Hack für den Prototyp, refaktorieren aber die Lösung in der nächsten Version gründlich.”

  • Kultur der kontinuierlichen Verbesserung fördern: Feiern Sie Erfolge beim Schuldenabbau (z.B. “Wir haben die alte Zahlungs-Schnittstelle erfolgreich durch einen neuen Service ersetzt!”). Ermutigen Sie Entwickler, proaktiv Vorschläge zur Qualitätsverbesserung zu machen. Eine positive Kultur in Bezug auf Code-Qualität motiviert das Team, Schulden erst gar nicht entstehen zu lassen bzw. zügig zu tilgen.

Mit dieser Checkliste können Unternehmen einen Praxisplan entwickeln, um technische Schulden anzugehen. Der Schlüssel liegt darin, Technical Debt als dauerhafte Management-Aufgabe zu begreifen – ähnlich dem Facility Management für Gebäude. Software-„Schuldenfreiheit“ ist kein einmal erreichbarer Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess von Aufmerksamkeit, Investition und Abwägung.

Fazit

Technical Debt – technische Schulden – ist ein Thema, das über den IT-Bereich hinaus die gesamte Unternehmensleistung beeinflusst. Wie wir gesehen haben, entstehen technische Schulden vor allem durch nachvollziehbare Gründe wie Zeitdruck, gewachsene Legacy-Systeme oder fehlende Qualitätsroutinen. Kurzfristig mag das Eingehen dieser Schulden Vorteile bringen, doch langfristig zahlen Unternehmen dafür einen Preis: in Form von höheren Kosten, Sicherheitsrisiken, gebremster Innovation und unzufriedenen Teams. Studien untermauern die Bedeutung dieses Themas eindrucksvoll – ein großer Teil der IT-Budgets fließt heute bereits in die Bewältigung von Altlasten [protiviti.com], und viele Führungskräfte nennen Technical Debt als Haupthindernis für digitale Initiativen [frontier-enterprise.com].

Die gute Nachricht ist, dass technische Schulden beherrschbar sind, wenn man sie aktiv managt. Entscheider:innen und IT-Leiter:innen sollten Technical Debt als festen Bestandteil ihrer IT-Strategie verankern: Transparenz schaffen, Prioritäten setzen und konsequent in Qualität investieren. Dabei gilt es auch, bewusst zu entscheiden, wann man ggf. Schulden aufnimmt und wann man sie tilgt – immer mit Blick auf das große Ganze. Ein gewisses Maß an Technical Debt wird sich nie vollständig vermeiden lassen, so wie ein Unternehmen auch Kredite nutzt, um zu wachsen. Entscheidend ist jedoch, dass diese Schulden strategisch eingesetzt und unter Kontrolle gehalten werden.

Unter dem Strich kann der Umgang mit Technical Debt sogar zu einem Wettbewerbsvorteil werden: Firmen, die ihre Softwarebasis schlank und sauber halten, können agiler auf Marktveränderungen reagieren, schneller neue Produkte liefern und sparen langfristig erhebliche Kosten. Demgegenüber riskieren Unternehmen, die das Thema ignorieren, auf einem wachsenden Schuldenberg zu sitzen, der ihre Innovationskraft erdrückt. Es lohnt sich also, heute Zeit und Mittel in den Abbau technischer Schulden zu investieren – um morgen Zinsen in Form von höherer Produktivität, Sicherheit und Innovationsfähigkeit zurückzuerhalten. Technical Debt ist letztlich eine Schuld, die man unternehmerisch steuern kann – und sollte, bevor sie außer Kontrolle gerät.